Was macht ein Musiker, der seit Jahren kein neues Album mehr produziert hat? Genau, er schreibt gelegentlich einen Filmsong und spielt live die alten Sachen. Und der Abend des 29. Februar bewies einmal mehr, dass Sting da aus dem Vollen schöpfen kann. Die Musts waren auch in der Frankfurter Jahrhunderthalle wieder dabei, ohne "Every Breath You Take" und Co. lässt man ihn halt nicht gehen. Und auch als allerletzte Zugabe gab es einen Klassiker: "Message in a Bottle", Sting solo, von sich selbst auf der Konzertgitarre begleitet. Moment mal, hieß die Tour nicht "Back to Bass"? Richtig, alle anderen Nummern absolvierte er am jahrzehntealten, abgeschabten Fender Precision Bass. Aha, Sting spielt wieder Bass – und sonst?
Hinter dem Motto steckt natürlich mehr. Zuvor war der Feingeist ja symphonisch unterwegs gewesen, ein Experiment, was damals auf dem Album sehr gut, live nur bedingt gelang. Heute ist hingegen Verschlankung angesagt, ein paar Gänge runterschalten, sozusagen "Back to BASSics". Und so steht diesmal "nur" eine Rockband auf der Bühne: Bass, zwei Gitarristen (Dominic Miller mit Sohn Rufus), Drums (der grandiose Vinnie Colaiuta). Die einzige Unterstützung kommt von einem jungen, fantastischen Geiger (Peter Tickell) und Jo Lawry, die wie schon bei "Symphonicities" die Backing Vocals macht und auch mal mitgeigen darf.
Auch die Optik ist schlicht. Das Ganze ist auf simple Art ausgeleuchtet, die Musiker sind völlig unspektakulär gekleidet. Allen voran Sting in T-Shirt, Jeans und Turnschuhen, das Haar millimeterkurz. Dominic Miller spielt meist eine blaue Telecaster, gönnt sich mal ein Wahwah und ein, zwei weitere Effekte. Sein Sohnemann verzichtet ganz auf Schnickschnack und wechselt zwischen zwei Modellen, einer Gibson SG und einer Western-Gitarre.
Was mit so einer reduzierten Besetzung und einer satten, die Schmerzgrenze jedoch meidenden Laustärke möglich ist, beweist diese Kapelle eindrucksvoll. Los geht es mit einem flotten "All This Time", danach folgt "Every Little Thing She Does Is Magic". Schnell wird klar, hier bekommt man was geboten fürs (viele) Geld. (Die komplette Setlist gibt's hier, runterscrollen!)
Sting ist nicht mehr der Jüngste, mit seinen 60 Lenzen ist er beispielsweise einige Jahre älter als Andreas Scheinhütte. Dass der Englishman stramm aufs Rentenalter zugeht, merkt man ihm an diesem Abend aber kein bisschen an. Er ist drahtig, fit, cool. Sicher: Er steht unvermeidlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, auch weil er zu jedem Stück etwas recht ordentlich auf Deutsch erzählt. Seniorenstudium? Nein, er liest es ganz offensichtlich von einem Monitor ab. Doch er produziert sich keineswegs als Superstar oder Mega-Bassist. Nein, er will heute Abend mit seiner Band einfach gute Musik machen. Und es ist toll zu erleben, wie hier ein Team aus drei "alten Säcken", zwei jungen Bubis und einem Mädel interagiert: relaxed, mit echtem Vergnügen, unprätentiös, allesamt hochprofessionell und auf Augenhöhe. Die extatischen Geigensoli von Peter Tickell faszinieren nicht weniger als die Trommelei von Haudegen Colaiuta. Altersgefälle bedeutet hier nicht, dass die Alten die Jungen beäugen oder dass die Jungen Schiss haben. Nur während der großartigen Schmusenummer "Fields of Gold" gibt's einen Hauch von Schulkonzert, als Rufus Miller auf der Akustik-Klampfe das Solo abliefert: Den Papa im Nacken gibt er sein Bestes und ist spürbar stolz darauf. Zu Recht, das Feeling stimmt. Und die emporgereckten Smartphone-Displays des mitfilmenden 40plus-Publikums sehen in diesem Moment fast aus wie die Feuerzeuge von einst.
Alles in allem ein toller Abend. Was nahm man mit? Jede Menge gute Songs im Ohr. Und die Erkenntnis, dass Musikmachen ganz easy sein kann. Je mehr man sein Instrument beherrscht, locker ist und die Ohren aufmacht, desto mehr Spaß macht es – den Musikern und den Zuhörern!
PS: Ob's Sting auch in der SdR gibt? Klar, schaut mal nach im Band 2 auf Seite 43. (jrm)